Der Einzug der Trikotwerbung

Präsentation des neuen HSV-Trikotsponsor Campari im Januar 1974
Nach der Vertragsunterzeichnung im Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten präsentieren Edgar Jarchow, Dr. Peter Krohn sowie die Spieler Bubi Hönig, Klaus Zaczyk und Georg Volkert den neuen Trikotsponsor des HSV. Inklusive des, eigens für diesen Anlass geschaffenen, HSV-Cocktails. Foto: PR Agentur Hoyningen-Huene.

Das Jahr 1974 war noch keine zwei Tage alt, da luden der Hamburger SV um Präsident Dr. Peter Krohn und Edgar Jarchow, Inhaber des Hamburger Unternehmens Hans Prang und damals alleiniger Lizenzhersteller des italienischen Aperitifs Campari in Deutschland, zum großen Presseempfang ins Hotel Vier Jahreszeiten. Anlass war die Unterzeichnung des ersten großen Trikotsponsoring-Vertrages des HSV, die dem Klub mit 500.000 DM pro Saison vergütet wurde. Der Vertrag, datiert bis zum 30. Juni 1975, beinhaltete zusätzlich auch das Trikotsponsoring für die, ebenfalls in der Bundesliga spielenden, HSV-Handballer.

Trikotpräsentation mit HSV-Cocktail


Die Fäden im Hintergrund dieses Deals – und einiger weiterer in der jungen Geschichte der Trikotwerbung der Bundesliga – zog ein junger PR-Manager aus Hamburg, der sich erst wenige Jahre zuvor mit seiner Agentur selbstständig gemacht hatte. Frank Freiherr von Hoyningen-Huene erinnert sich noch gut an diese Zeit: „Ich hatte schon früh die Idee, Fußballtrikots als Werbefläche zu nutzen. Günter Mast hat dann in Braunschweig den Grundstein dafür gelegt, dass sich die Trikotwerbung in der gesamten Bundesliga etablieren konnte. Zu der Zeit war die Firma Hans Prang schon einer meiner Kunden und Edgar Jarchow schenkte mir sein Vertrauen, als ich ihm vorschlug, beim Hamburger SV mit Campari einzusteigen.“

Mit Dr. Peter Krohn traf er auf einen erfahrenen Manager und der HSV-Präsident sowie von Hoyningen-Huene wurden sich nach langen und schwierigen Verhandlungen über einen Vertrag einig, den Jarchow und Krohn dann mit großem Brimborium an eben jenem 2. Januar 1974 bei einem als „Neujahrsempfang“ getarnten Pressetermin unterzeichneten. Die Spieler Franz-Josef Hönig, Klaus Zaczyk und Georg Volkert präsentierten sich den Fotografen in Trikots mit Campari-Schriftzug, HSV-Raute und HSV-Cocktail in der Hand. Der Cocktail, bestehend aus 1/4 Campari, 1/4 Orangensaft und 2/4 Sekt wurde ausschließlich für diesen Anlass erfunden. Der Auftritt schlug ein wie eine Bombe und sorgte bei Hans Prang für Lieferengpässe. Wenn Supermärkte oder Gastronomen eine Palette Campari bestellten, bekamen sie erst einmal nur die Hälfte geliefert, so groß war die Nachfrage. Ähnlich wie Günter Mast in Braunschweig im Jahr zuvor, sorgte der PR-Manager von Hoyningen-Huene dafür, dass die Marke Campari ständig in der Presse blieb. Da fuhren dann auf einmal 400 Taxen in Hamburg mit Likör-Werbung durch die Stadt. Oder das Unternehmen setzte im Motorsport auf Rennfahrer Willi Kauhsen, der mit seinem von Campari gesponserten Rennteam in diversen Sportwagenserien aktiv war.

Der Einstieg von Campari beim 1.FC Kaiserslautern hatte strategische Gründe.

Auch im Fußball sorgte die Marke im August 1974 für eher unfreiwillige, aber natürlich willkommene, Schlagzeilen. Wegen der Fußball-WM im eigenen Land fand das Pokalfinale der Vorsaison zwischen dem HSV und Eintracht Frankfurt erst zu Beginn der Spielzeit 1974/75 statt. Die Eintracht gewann 3:1 und Kapitän Jürgen Grabowski, der nach Spielende mit HSV-Spieler Hans-Jürgen Ripp das Trikot getauscht hatte, erschien im Campari-Trikot zur Pokalübergabe – während die übrigen Frankfurter in „ihren“ Trikots mit dem Sponsor Remington feierten. Grabowski bekam für seine unfreiwillige Werbetätigkeit eine Kiste des Likörs frei Haus geschickt.

Als das Engagement beim HSV nach zwei Jahren auslief und sich der Klub mit Hitachi für einen neuen Trikotsponsor entschieden hatte, zog Campari zum 1.FC Kaiserslautern weiter und unterschrieb dort einen Vertrag für drei Spielzeiten. Freiherr von Hoyningen-Huene zur damaligen Entscheidung: „Der Einstieg in Kaiserslautern hatte strategische Gründe. Wir wollten in dieser Region bekannter werden, da in der Pfalz ja eher Weintrinker zu Hause sind. Kaiserslautern erschien uns, als bekanntester Klub der Region, ein perfekter Multiplikator unserer Marke. Dies hat wunderbar funktioniert, die Nachfrage nach unseren Produkten stieg signifikant an.“

Der PR-Mann hatte in den Folgejahren seine Hände noch bei einigen weiteren Sponsoring-Verträgen im Spiel, so betreute er mit Mampe bei Hertha BSC Berlin einen weiteren Spirituosenhersteller. Das alles kam nicht von ungefähr: Frank von Hoyningen-Huene war vor seiner Selbständigkeit zwei Jahre lang als PR-Kontakter für den Bundesverband der Spirituosenindustrie tätig und somit entsprechend gut vernetzt – auch in anderen Branchen. Das japanische Elektronikunternehmen Pioneer zählte ebenfalls zu seiner Kundschaft. Die Japaner wurden, auf seine Vermittlung hin, ab der Rückrunde 1978/79 Trikotsponsor des 1.FC Köln. Die Rheinländer waren zu jener Zeit, neben Schalke 04, der letzte Bundesliga-Klub ohne Hauptsponsor.

Das Trikotsponsoring von Remington wurde der Eintracht mit 275.000 DM pro Saison vergütet.

Und während Freiherr von Hoyningen-Huene in Hamburg, Berlin und Köln erfolgreich in Sachen Trikotwerbung unterwegs war, machte sich in Frankfurt ein weiterer junger Marketingprofi einen Namen als Sponsoring-Experte: Manfred Birkholz. Er war mit seiner Agentur Birkholz + Schnell einer der ersten in Deutschland, der sich ausschließlich auf Sportmarketing spezialisierte und das Thema über die Jahre immer weiter professionalisierte. Birkholz stieg 1971 in die Sportwerbung ein und vermarktete anfangs die Stadionzeitung der Frankfurter Eintracht. Über gute Beziehungen zu seinen Anzeigenkunden gelingt es ihm 1974, Remington als ersten Frankfurter Trikotsponsor zu gewinnen. Die Amerikaner waren als Hersteller von Schreib- und Rechenmaschinen groß geworden und hatten erst 1974 mit der Produktion und dem Vertrieb von Rasierern und Haarpflegeprodukten begonnen. Die deutsche Handelsvertretung verfügte über ein eigenes Werbebudget und konnte somit unabhängig vom US-Mutterkonzern seine Marketing- und Werbeentscheidungen treffen. Das Trikotsponsoring wurde der Eintracht mit 275.000 DM pro Saison vergütet. Remington bekam zusätzlich sechs Dauerkarten für die Haupttribüne, aber jede weitere Leistung, beispielsweise die Anzeigen in der Stadionzeitung oder Bandenwerbung im Stadion, wurden separat abgerechnet.

Birkholz betreute in der Folge auch die weiteren Frankfurter  Trikotsponsoren, von Samson, über Minolta, Infotec, Portas bis hin zu Hoechst. Bei Infotec stieß Birkholz auf echte Marketingprofis, die das absolute Maximum für ihr Unternehmen herauszuholen wussten. Die darauf bestanden, dass sich die Unternehmensfarbe Orange in der Trikotgestaltung wiederfand. Die dem Verein im Stadion Infotec-Kopierer zur Verfügung stellten, damit sich die Mannschaftsaufstellungen und Pressemitteilungen gleich vor Ort in Windeseile vervielfältigen und verteilen ließen. Manfred Birkholz kommt im Laufe der Zeit auch mit dem FC Bayern München ins Geschäft, sorgt mit dafür, dass der PC-Hersteller Commodore auf der Brust der Münchner Edelkicker landet. Birkholz betreut später 13 Jahre lang den Kunden Opel, sowohl in der Zusammenarbeit mit dem FC Bayern als auch bei allen anderen Sponsoring-Aktivitäten. Unter anderem mit den Superstars Steffi Graf, Michael Stich und Franziska van Almsick. Auch das erste Trikotsponsoring von Opel in der Bundesliga beim VfL Bochum lief über Birkholz‘ Schreibtisch und war der Auftakt für die langjährige Partnerschaft mit dem Rüsselsheimer Automobilkonzern. Doch nicht nur im Trikotsponsoring hatte der Eintracht-Pressesprecher (von 1965 bis 1977) seine Hände im Spiel. Er sorgte auch dafür, dass die Hessen ab 1976/77 für zwei Spielzeiten in Trikots des englischen Ausrüsters Admiral aufliefen. Der nach Deutschland entsandte Vertriebsmanager bezog eigens ein Büro in der Agentur von Birkholz und versuchte von dort, die Marke in Deutschland zu etablieren. Nach anderthalb Jahren gab dieser jedoch entnervt auf, weil es ihm nicht gelang, seine innovativen Nylon-Trikots in der Bundesliga an den Mann zu bringen. Dabei war Admiral zu dieser Zeit immerhin Ausrüster der englischen Nationalmannschaft und von Manchester United. Manfred Birkholz wurde 2009 (zusammen mit Uli Hoeneß) in die Hall of Fame des Fachverband für Sponsoring FASPO, der zentralen Interessenvertretung der Sponsoringwirtschaft, aufgenommen.

Mit Werbung auf dem Trikot Geld zu verdienen, lockte 1974 in Nordrhein-Westfalen auch die Bundesligisten MSV Duisburg und Fortuna Düsseldorf hinter dem Ofen hervor. In Duisburg finanzierte der örtliche Textilfabrikant Fritz Schroer den Transfer von Mittelfeldspieler Theo Bücker von Borussia Dortmund zum MSV, verlangte aber im Gegenzug, mit seiner Pullovermarke Brian Scott auf das Trikot des MSV zu kommen. Den Handelsregisterauszügen aus jener Zeit zufolge, schien diese Maßnahme ein letzter Versuch Schroers gewesen zu sein, seiner Marke durch Trikotwerbung zu mehr Bekanntheit zu verhelfen – und gleichzeitig das Unternehmen vor der Pleite zu bewahren. Denn sowohl die Fritz Schroer KG, als auch das zweite Unternehmen von Schroer, die Tricots Style Strickwaren GmbH, der die Marke Brian Scott gehörte, gingen kurz nacheinander insolvent.

ARD und ZDF drohten damit die Spiele mit Trikotwerbung nicht mehr zu zeigen.

In Düsseldorf hatte die Fortuna derweil Kontakt zum Mönchengladbacher Unternehmen Allkauf aufgenommen, das im Rheinland zwölf Supermarktfilialen betrieb und auf Wachstumskurs war. Allkauf lockte die Publicity, die das Thema Trikotwerbung mit sich brachte und die Chance, durch die Fernsehübertragungen von Fortuna-Spielen neue Zielgruppen zu erschließen. Als ARD und ZDF jedoch damit drohten, die Spiele der Mannschaften mit Trikotwerbung nicht mehr zu übertragen, fehlte Allkauf die Geschäftsgrundlage für eine Fortführung des Sponsorings und der Vertrag mit der Fortuna wurde im März 1975 kurzerhand aufgelöst. Doch selbst diese kurze Zeitspanne hatte dem Unternehmen Allkauf so viel Aufmerksamkeit beschert, wie es eine groß angelegte Marketingkampagne nicht besser hätte bewirken können. 

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