Eine Frage der Sympathie

Fast genau zwei Jahre nachdem der Hamburger SV im Januar 1974 als erster Bundesligist mit offiziell vom DFB genehmigter Trikotwerbung in einem Bundesliga-Spiel aufgelaufen war, zog man auch in Mönchengladbach nach. Lange hatte man am Niederrhein wie viele andere Vereine eine ablehnende Haltung gegen diese Art von Werbung. Mit der Ruhrgas AG entwickelte sich dann jedoch eine langfristige und gute Partnerschaft die auf großer gegenseitiger Sympathie beruhte.

Am 17. Januar 1976, beim Heimspiel gegen Hannover 96, läuft Borussia erstmals mit der Aufschrift "Erdgas Heizung auf. Foto: Imago/Pfeil
Am 17. Januar 1976, beim Heimspiel gegen Hannover 96, läuft Borussia Mönchengladbach erstmals mit der Aufschrift "Erdgas Heizung auf. Foto: Imago/Pfeil

Im Jahr 1973 stellte der Wolfenbütteler Unternehmer Günter Mast zusammen mit Ernst Fricke, dem Präsidenten von Eintracht Braunschweig, die Bundesligawelt auf den Kopf und den DFB vor ein Problem. Denn am 8. Januar 1973 hat die Mitgliederversammlung von Eintracht Braunschweig mit großer Mehrheit entschieden, den Löwen im Vereinswappen durch den Kopf eines Hirschs zu ersetzen. Der Hubertushirsch ist das Logo von Masts Kräuterlikörmarke Jägermeister. Der Deutsche Fußball-Bund verfügte, dass das Wappen maximal 14 Zentimeter groß sein darf und sich die Buchstaben E und B für den Vereinsnamen ebenfalls darin wiederfinden müssen. Am 24. März trat Eintracht Braunschweig beim Heimspiel gegen den FC Schalke 04 dann erstmals mit dem Hirschkopf auf den Trikots an. Günter Mast zahlte dem Verein für diesen Werbecoup 100.000 Mark im Jahr. Und der DFB merkte zu spät, dass er ausgetrickst worden war. Nach einem juristischen Kleinkrieg, der sich ein halbes Jahr hinzog, genehmigte der Verband im Oktober 1973 offiziell Werbung auf Trikots von Fußballmannschaften. Der Vorreiter Eintracht Braunschweig war in der Zwischenzeit in die 2. Bundesliga abgestiegen, so dass der Hamburger SV am 5. Januar 1974 im Spiel bei Hertha BSC als erster Bundesligaklub offiziell mit seinem Sponsor Campari auf der Brust auflaufen durfte. 

In Mönchengladbach dauerte es noch zwei Jahre länger, bis Borussia ebenfalls einen Trikotpartner präsentierte. Denn wie bei vielen Vereinen in der Bundesliga hatte man auch bei Borussia lange Zeit noch eine stark ablehnende Haltung gegen diese Art von Werbung. In einem Bericht der „Rheinischen Post“ (RP) vom 17. Januar 1976 erklärte Borussias Vorsitzender Dr. Helmut Beyer, warum der Klub seine Meinung nun doch geändert hatte: „Ab einer gewissen Summe hören meine logischen Argumente dagegen einfach auf.“ Und diese Summe von mindestens 750.000 Mark pro Saison hatte Beyer schon zwei Jahre zuvor erstmals öffentlich genannt.

Noch vor der offiziellen Vorstellung wird Anfang Januar 1976 im kalten Bökelberg-Stadion das erste Mannschaftsfoto mit dem neuen Trikotsponsor aufgenommen. Foto: Imago/Horstmüller

Dabei machten alle Beteiligten bei Borussia aus der Veröffentlichung des neuen Sponsoring-Partners ein großes Geheimnis. Manager Helmut Grashoff drohte in demselben RP-Bericht sogar den Rausschmiss desjenigen an, der vor der offiziellen Bekanntgabe des Sponsors nicht dichtgehalten hatte. Niemand hätte vor dem Heimspiel gegen Hannover 96 an jenem 17. Januar von diesem Deal erfahren sollen. Diese Geheimniskrämerei spornte die Sportjournalisten in ganz Deutschland natürlich besonders an, und so war schon vor Anpfiff des Spiels klar, dass Borussia an diesem Samstag erstmals mit dem Werbeschriftzug „Erdgas Heizung“ der Essener Ruhrgas AG auf den Trikots auflaufen würde.

Die Entscheidung für Borussia bei der Ruhrgas AG fußte zu Beginn noch auf rein kaufmännischem Kalkül. Heinz Windfeder, Direktor Marketing und Vertrieb und Initiator des Sponsorings, sagte dazu im „FohlenEcho“: „Wir wussten, wenn wir so etwas machen, dann muss es eine Spitzenmannschaft sein und eine sympathische dazu. Da sind wir schnell auf Borussia gekommen.“

Detlef Brendel, Kommunikationsberater und Publizist, hat mit seinem Pressebüro Hansmann in den Anfangsjahren das Sponsoring der Ruhrgas AG bei Borussia Mönchengladbach eng begleitet: „Mein Eindruck war damals, dass es Heinz Windfeder bei der Auswahl des zu sponsernden Vereins nicht so sehr um eine plakative Werbemaßnahme ging, sondern vor allem um Sympathie. Und dazu gehörten nicht nur die Sympathien, die Borussia damals ja bundesweit überall genoss, dazu gehörten auch die Beziehungen zu den handelnden Personen im Verein. Die waren von Anfang an gut und mit der Zeit fast freundschaftlich.“

Windfeder dazu im „FohlenEcho“: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir jemals mit einem anderen Verein zusammenarbeiten als Borussia. Man kann Trikots nicht mieten wie eine Plakatfläche. Die Sympathien der Leute verbinden sich mit dem Produkt. Ist die Mannschaft nicht sympathisch, ist auch das Produkt nicht sympathisch.“

"Man kann Trikots nicht mieten wie eine Plakatfläche. Die Sympathien der Leute verbinden sich mit dem Produkt. Ist die Mannschaft nicht sympathisch, ist auch das Produkt nicht sympathisch.“

Heinz Windfeder

Deshalb gab es intern auch keine Diskussionen darüber, andere nationale Vereine zu sponsern, als diese über die Jahre immer wieder mit entsprechenden Anfragen bei Windfeder anklopften. Selbst dann nicht, als die insgesamt zehneinhalbjährige Zusammenarbeit zwischen der Ruhrgas AG und Borussia von 1980 bis 1983 durch das Datsun-Sponsoring unterbrochen wurde.

„Nissan hatte Borussia ein attraktives Angebot unterbreitet, das der Verein nicht ausschlagen konnte“, erzählt Detlef Brendel. „Es stand damals zudem eine dringend notwendige Erhöhung des Gaspreises an. Und die Ruhrgas AG wollte nicht gleichzeitig mit einem teuren Sportsponsoring in der Öffentlichkeit stehen. Heinz Windfeder und Helmut Grashoff hatten sich jedoch untereinander freundschaftlich versichert, sich nicht für alle Ewigkeit voneinander zu trennen.“

Als PR-Profi sorgte Brendel mit seiner Agentur dafür, das Ruhrgas-Engagement bei Borussia medial entsprechend in Szene zu setzen. In enger Kooperation mit Borussias Trainer Udo Lattek entstand so zum Beispiel im WM-Jahr 1978 eine regelmäßige Kolumne im TV-Programm-Supplement „Bunte Wochen-Zeitung“ (BWZ) der WAZ-Gruppe. In diesem Magazin erklärte Lattek, immer fesch im Gladbach-Trikot mit Erdgas-Werbung abgebildet, den Lesern des Magazins das Fußball-Regelwerk oder gab seine Tipps zum Verlauf der Weltmeisterschafft in Argentinien ab. Darüber hinaus beinhaltete jede Ausgabe die Abbildung einer einfachen sportlichen Übung, die die Leser in der Halbzeitpause eines WM-Spiels nachmachen konnten.

Ein paar Jahre später entstand unter ähnlichen Voraussetzungen mit dem neuen Trainer Jupp Heynckes das Buch „Fußball aktiv. Training + Spiel“. Zur Hauptzielgruppe gehörten vor allem Trainer und Spieler unterklassiger Klubs, die etwas über die aktuelle Trainingslehre eines Profivereins wissen wollten. Heynckes gab aber auch Einblicke in seine Profizeit und in interne Abläufe bei Borussia, zum Beispiel zu den Themen Saisonvorbereitung oder Mannschaftsführung. An die Entstehungsgeschichte dieses Buchs erinnert sich Brendel noch sehr gut. „Ich hatte die Idee dazu Heinz Windfeder schon vorgestellt, als Ruhrgas noch Trikotsponsor bei Borussia war. Dann kam der Wechsel zu Datsun, und ich dachte die Idee sei damit erst mal gestorben. Das Gegenteil war der Fall. Heinz Windfeder rief mich an, ich sollte das Buch jetzt umsetzen. Das machte für mich zu dem Zeitpunkt eigentlich keinen Sinn, aber Heinz Windfeder versicherte mir, dass genau deswegen jetzt der richtige Zeitpunkt dafür sei. „Wir bleiben dadurch im Gespräch.“ Da die guten Beziehungen zueinander auch in der Datsun-Zeit nie abrissen, wurde Brendel so etwas wie der Statthalter der Ruhrgas AG bei Borussia.

Das Buch wurde schließlich am 1. Dezember 1981 in der Ruhrgas-Hauptverwaltung in Essen offiziell vorgestellt. Die Begrüßung übernahm das Vorstandsmitglied Friedrich Späth, der 15 Jahre später sogar Konzernchef wurde. Der frühere Bundestrainer Helmut Schön, der das Vorwort geschrieben hatte, war für eine anschließende Diskussionsrunde eingeladen worden. Als besonderes Highlight stand der offizielle Mannschaftsbus von Borussia bereit, um die Gäste der Veranstaltung von Düsseldorf nach Essen und anschließend wieder zurück zu bringen – für einen gemütlichen Ausklang in der Düsseldorfer Altstadt.

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Bereits am 23. März 1985 beim 7:0 Erfolg gegen den 1.FC Kaiserslautern, feiert bei Borussia Mönchengladbach das neue Trikotdesign für die Saison 1985/86 seine Bundesliga-Premiere. Noch fehlen die markanten schwarzen Schulterklappen. Dazu stimmen weitere Merkmale mit der späteren Trikotversion nicht überein. In dieser Rubrik zeichnen wir die Veränderungen bei einem der beliebtesten Trikots der Gladbach-Fans von vom ersten Auftritt bis zur späteren, meistgespielten, Version nach. Foto: Imago/Horstmüller

Bereits am 23. März 1985 beim 7:0 Erfolg gegen den 1.FC Kaiserslautern, feiert bei Borussia Mönchengladbach das neue Trikotdesign für die Saison 1985/86 seine Bundesliga-Premiere. Noch fehlen die markanten schwarzen Schulterklappen. Dazu stimmen weitere Merkmale mit der späteren Trikotversion nicht überein. In dieser Rubrik zeichnen wir die Veränderungen bei einem der beliebtesten Trikots der Gladbach-Fans von vom ersten Auftritt bis zur späteren, meistgespielten, Version nach.

Zum Beginn der Saison 1983/84 kehrte die Erdgas-Werbung auf die Gladbacher Trikots zurück. Die Begleitung durch das Pressebüro Hansmann und Detlef Brendel nahm jedoch immer mehr ab. Die Ruhrgas AG kümmerte sich nun verstärkt um andere Projekte, beispielsweise den „Förderpreis Deutscher Jugendsport“, bei dem die Förderung hoffnungsvoller junger Sportler im Alter bis zu 16 Jahren im Vordergrund stand. Eine der vielen Förderpreisträgerinnen war die Spitzenschwimmerin und Olympiateilnehmerin Franziska van Almsick.

Im Sponsoring war für Ruhrgas neben der Trikotwerbung vor allem Banden- und Eventwerbung wichtig. So setzte das Unternehmen anfangs neben dem Trikotsponsoring bei Borussia auf einige weitere nationale Aushängeschilder, wie den damals dominierenden Handball-Rekordmeister VfL Gummersbach, die erfolgreiche Hockeymannschaft vom HTC Uhlenhorst Mülheim und den Eishockey-Bundesligisten EV Landshut. Über die Jahre wurde das Sponsoring regionaler. So schloss Ruhrgas zusammen mit lokalen Gasversorgern Sponsoringverträge mit zahlreichen Bundesliga-Vereinen aus anderen Teamsportarten wie Basketball, Volleyball oder Badminton ab.

Neben Borussia im Fußball sponsert die Ruhrgas AG in den 1980er-Jahren auch zahlreiche weitere Top-Teams im deutschen Sport. Unter anderem den damaligen Rekordmeister im Handball, den VfL Gummersbach. Hier mit dem 124-maligen Nationalspieler Rüdiger Neitzel in einem Bundesliga-Spiel gegen TuSEM Essen im Jahr 1985. Foto: Imago/Werek
Neben Borussia im Fußball sponsert die Ruhrgas AG in den 1980er-Jahren auch zahlreiche weitere Top-Teams im deutschen Sport. Unter anderem den damaligen Rekordmeister im Handball, den VfL Gummersbach. Hier mit dem 124-maligen Nationalspieler Rüdiger Neitzel in einem Bundesliga-Spiel gegen TuSEM Essen im Jahr 1985. Foto: Imago/Werek

Angesichts der Freundschaft, die zwischen dem Konzern und Borussia über die Jahre existiert hatte, kam das Ende der Zusammenarbeit für Manager Grashoff recht überraschend. Erst im Mai 1990 informierte das Unternehmen den Verein, dass man sich im Sportmarketing neu aufstellen wolle und alle Trikotpartnerschaften gekündigt habe. So war das Freundschaftsspiel beim SC Willingen am 22. Mai 1990 das letzte Spiel, in dem Borussia mit Erdgas-Werbung auf dem Trikot auflief.

Am 12. Mai 1990 absolviert Borussia bei Bayer 05 Uerdingen das letzte Pflichtspiel mit Erdgas als Sponsor. Weil nach dem Ende der Bundesligasaison noch vier Freundschaftsspiele folgen, laufen die Gladbacher am 22. Mai 1990 beim SC Willingen zum letzten Mal überhaupt mit Erdgas-Trikots auf. Foto: Imago/Werek

Das Trikotsponsoring von Erdgas zählte lange Jahre zu den längsten Verbindungen zwischen einem Verein und seinem Sponsor. Nur Jägermeister engagierte sich bei Eintracht Braunschweig noch länger: 15 Jahre, von 1973 und 1988, wovon die Eintracht einige Jahre in der zweiten Liga verbrachte, prangte das Hirschlogo auf der Brust der Blau-Gelben. Nur auf die Bundesliga bezogen, löste erst die Sponsoring-Partnerschaft des FC Bayern München mit Opel von 1989 bis 2002 den Laufzeitrekord von Borussia mit Erdgas ab. Im internen Borussia-Ranking liegt die Ruhrgas AG mit einer Gesamtlaufzeit von elfeinhalb Jahren immer noch vor der Postbank, die auf elf Jahre als Partner von Borussia kommt. In den Herzen der Fans wird Erdgas ohnehin immer die Nummer eins aller Trikotsponsoren bleiben. Denn so erfolgreich wie in den Erdgas-Jahren war Borussia danach nie wieder.

Diese Hintergrundgeschichte zu den Erdgas-Jahren bei Borussia Mönchengladbach ist meinem Buch Das Gladbach Trikot von 1900 bis heute entnommen, das ich zusammen mit Matthias Gorke und Stefan Hermanns geschrieben habe. Es ist im Herbst 2021 im Verlag Die Werkstatt erschienen und kann bei jedem gut sortierten (Online)-Buchhändler, direkt beim Verlag oder im Fohlenshop bestellt werden (ISBN: 978-3-7307-0559-9). 

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